Erfolgreiche RUM-Regatta

25.05.2012 20:46

Angriff mit voller Besegelung (Foto: Volker Grieß)

Nach einigen Jahren Pause ist es endlich wieder einmal soweit: Flensburg ruft - und Maltzahn kommt! Verhinderte im letzten Jahr nach Monate langem Werftaufenthalt ganz in der Nähe der Fördestadt die notwendige Ersetzung des Hauptgetriebes eine Teilnahme an der Rum-Regatta, kann dieses Jahr nichts und niemand die Crew des Finkenwärder Hochseekutters daran hindern! In wechselnder Besetzung und bei zum Teil unangenehmer Kälte überführen wir das Schiff über Brunsbüttel und den Nord-Ostsee-Kanal in die Ostsee. Dort folgt eine Starkwindetappe in die Schlei. Unter doppelt gerefftem Groß, gerefftem Besan, Fock und kleinstem Klüver weist die Maltzahn ihr Geschwindigkeitspotential nach. Zum Üben an den Topsegeln müssen wir noch zwei Tage warten - eine Gästefahrt anlässlich der Kappelner Heringstage erfordert ein wenig Geduld; zieht der Troß der Traditionsschiffe doch ohne uns zur Zwischenstation in Sönderborg. Am Tag vor dem großen Ereignis spielt endlich das Wetter mit: Bei frischem Ostwind setzen wir alles was wir haben und rauschen gen Flensburg. Was für ein Gefühl, bei strahlendem Sonnenschein mit knapp neun Knoten durch die Ostsee zu pflügen!! Das kann eigentlich nur noch durch EINES getoppt werden: Rum und Ruhm für Maltzahn!

Am Sonnabend-Morgen die Ernüchterung: Leichte Winde, zu leicht - der Wetterbericht verspricht zwei Halbwindkurse für die traditionelle Bahn auf der Förde. Egal. Nicht darüber nachdenken. Das Erscheinen der Mitsegelgäste und vor allem deren frühzeitige Bereitschaft zum Alkoholkonsum lenkt ab - deutliche Worte müssen gefunden werden: "Wir alle wollen Rum trinken, aber bitte nicht während der Fahrt; wenn wir das Fass gewonnen haben, dann...!" - Leichtfertig geäußerten Ankündigungen folgt ein leichtfertig verschenkter Start. Zu gemächlich nähern wir uns der Startlinie; als eines der letzten Schiffe queren wir die Linie etwa eine Viertelstunde nach Beginn der Regatta. Vielleicht ist der Skipper zu sehr mit den Gedanken beim taktischen Verarbeiten der Tatsache, dass zunächst überraschend der Wind zu einem Kreuzkurs zwingt.

Einige Zeit später haben die ersten Wenden gut geklappt, die ersten Schiffe werden hinter uns gelassen, und allmählich kehrt Optimismus ein. Eine unserer größten Konkurrenten, die "Landrath Küster", bleibt nach hartem Kampf in unserem Kielwasser zurück. Nach und nach arbeiten wir uns nach vorne. Und arbeiten tut vor allem die Vorschiffcrew, wenn sie alle paar Minuten den großen Klüver von einer Seite zur anderen zerrt. Zwischendurch gibt es Stärkungen aus der bekannt guten Kombüse des Schiffes. Nur der Skipper hat keine Appetit.

Alles schaut gebannt nach vorne; wer wartet dort noch eingeholt zu werden: Wir entdecken die "Jane", einen Haikutter, die "Pirola", einen schweren Stahl-Logger und die "Rakel", eine als Ketsch getakelte Colin-Archer. Irgendwo in dem Getümmel müssen noch "Sælør", "Victor Jara", "Eitel und Friedrich", "Jachara" und die "Fulvia" stecken. Ganz in der Nähe und schon so gut wie überholt stehen "Carmelan", "Albin Köbis" und "Vegesack". Nach zwei weiteren Kreuzschlägen bleibt von den dreien nur noch die "Albin Köbis", eine etwas unförmige Gaffelketsch aus den 40er Jahren.

Bis zur Tonne vertreiben sich die Besatzungen einiger Schiffe die Zeit mit zum Teil ausgiebigen Wasserbomben-Schlachten. Auch wir sind bewaffnet, greifen mit einem knappen Ausweichmanöver um ihr Heck präventiv die "Anna" an, um deren traditionelle Wasserbomben-Kampfbereitschaft wir aus Erfahrung von vielen Gelegenheiten auf Elbe und Ostsee wissen. Die Überraschung gelingt uns, wird jedoch schon zwei Schläge später durch die "Anna"-Crew wettgemacht. Zwischenzeitlich werden wir Augen- und vor allem Ohrenzeugen einer ausgiebigen Schlacht zwischen den nach achtern zurück sackenden "Anna" und "Carmelan". Die Wendemarke rückt immer näher... Als uns von dort die ersten Schiffe entgegen kommen, wissen wir, dass wir eine reelle Chance auf einen vorderen Platz haben. Alles, was uns da begegnet, fährt in anderen Klassen und Wertungen. Vor uns machen wir nur noch die merkwürdig untertakelte "Rakel" aus, die wohl die ganze Kreuz ohne Klüver bestritten hat. Ohne Maschinen-Unterstützung dürfte sie das kaum geschafft haben...

Kurz vor der Wendemarke, eine Fahrwassertonne vor der Holnis-Enge, nimmt der Wind kurz zu, um plötzlich gänzlich weg zu bleiben - jedenfalls dort, wo wir gerade sind. 50 Meter weiter in Luv huschen Katzenpfötchen übers Wasser! - Dort müssen wir hin! Während um uns herum Motoren gestartet werden, holen wir unsere Riemen heraus; und tatsächlich: Mit vereinten Kräften von Crew und Gästen schaffen wir es, die Maltzahn zum Wind und durch die Wende zu rudern. Anderen gelingt weniger, oder sie haben nicht genügend Geduld. "Albin Köbis" dreht schon vor der Wendetonne ab und fährt nach Flensburg zurück. "Rakel" treibt weiter ihr Spielchen und legt Schleifen auf das Fördewasser. Und dort schummelt sich unter lautstarken Protesten der von der Tonne abgedrängten Schiffe die "Pirola" um die selbe herum - doch wen stört's: die Rum-Regatta ist eine Geschwaderfahrt und keine bierernste Geschichte. Und noch ist die Geschichte nicht zu Ende erzählt.

Auf dem Raumschot-Kurs zum Ziel heißt es jetzt umdenken: Segel trimmen, Wind ausgucken, die Konkurrenz taxieren: Haben die Freunde auf "Rakel" den besseren Wind erwischt? Es scheint so zu sein, denn sie ziehen stetig davon. Anders sieht es mit der "Pirola" aus; um den Rum ist sie die letzte verbliebene Anwärterin neben uns. Die Crew der Maltzahn ist hoch motiviert, setzt unter halsbrecherischem Einsatz einen Flieger (!) am Klüverbaum. Der Abstand zu allen anderen Schiffen ist schon riesig, oder? Nein - tatsächlich kommen sie von achtern auf, während "Maltzahn" sich mit "Pirola" ein spektakuläres Rennen Bordwand an Bordwand liefert. Aus unserer Crew kommt die Frage "Wasserbomben?" - Der Skipper verneint zunächst mit dem Hinweis auf die "harmlos aussehenden Leute" gegenüber. Doch plötzlich werden auch wir einmal überrascht - von wegen harmlos! Die Schlacht tobt fünf Minuten, als "Maltzahn" sich aus dem Windschatten "Pirola's" löst... um sofort wieder ein- und sogar überholt zu werden.

Ist dies das Ende aller Träume vom Ru(h)m? Das Heck der "Pirola" entfernt sich vor uns Meter für Meter. Wir decken dem Logger den achterlichen Wind ab, der gegnerische Skipper entscheidet sich für eine Besanhalse und... hat sich verkalkuliert. Der Moment, in dem seine Aufmerksamkeit auf sein nicht voll Wind stehendes Segel gerichtet ist, wird von uns genutzt, sein Heck in Luv zu passieren und an der nun für uns günstigen Seite schnell an ihm vorbei zu ziehen. Wir luven etwas an, um nicht Opfer derselben Strategie zu werden... und sind weg!

Jetzt riskieren wir auch wieder einmal einen Blick auf die sonstige Konkurrenz - die "Rakel" ist um Längen vorne, okay - sollen sie von uns aus den Schrott-Preis für den ersten Platz bekommen. Viel wichtiger: Hinter uns kommt nach der "Pirola" nichts mehr; selbst die bei leichten Winden schnelle "Mytilus" - aus einer anderen Wertungsklasse -  haben wir abgehängt. Noch ein paar Minuten die Konzentration hochhalten - dann sind wir im Ziel! Vom Zielschiff holen wir uns unseren verdienten Beifall ab, die Crew lässt sich hoch leben und der Skipper nimmt nach sechs Stunden das erste Mal wieder feste Nahrung zu sich. Die Gäste - zunächst noch mehr als zurückhaltend, vor allem angesichts der "Unsitte" der Wasserbomben-Schlachten - ist locker im Umgang mit der Wurfhand und der Crew geworden. Den Rum haben sie in all der Aufregung vergessen. Wir nicht! Und so zieht die Crew gemeinsam zur Preisverschleuderung, um sich unter lautem Jubel die 3-Liter-Flasche abzuholen.

Viel ist am nächsten Tag nicht mehr darin, und so mancher Kopf oder Arm ist noch nicht wieder voll einsatzbereit, als es schon wieder auf den Heimweg geht. Einen halben Flautentag auf der Ostsee, eineinhalb Kanalfahrtentage und ein schöner Elbetörn an der Kreuz mit frühsommerlichen Temperaturen später sind wir wieder in Oevelgönne. Schön war's - und schade, dass es schon wieder vorbei ist - das Streben nach Rum!

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