Dänemark 2003
von Jens 'Rudi' Franke
Die Nordsee ist der Crew der PRÄSIDENT FREIHERR von MALTZAHN gnädig: Ohne echte Schwierigkeiten führt sie uns in 50 Stunden von Bremerhaven nach Thyborøn. Warum also noch weitere Worte darüber verlieren? - Vielleicht wegen der ungewöhnlich kleinen Crew, mit der wir unterwegs sind. Und wegen der damit verbundenen theoretischen Schwierigkeiten, die es zunächst einmal im Kopf zu bewältigen gibt. Das sind die Voraussetzungen, die unser Skipper Mathias am Vorabend der Abreise nennt: Außer ihm sind nur vier Erwachsene an Bord, die sich in Zweierwachen abwechseln werden. In fünf Tagen muß der entfernteste Punkt der beabsichtigten Reise erreicht sein. Und das bedeutet: Durchsegeln bis dahin. Anstrengende Tage und Nächte im Vier-Stunden-Rhythmus. Also jetzt schnell in die Koje und noch einmal eine Nacht durchschlafen ...
1. Tag Samstag
1100 SW 3 Maschine
1235 SW 3 Setzen mittl.K/F/G/B
1600 WNW 4 kreuzen Weser abwärts, Stb.W.
1815 NW 3 Bergen K/F
2000 NNE 2 Stb.Wache
Pos. 53º54’00’’ 08º07’67’’
Empfang „Mayday“
2200 SE 1
0000 E 2 Bb.Wache
Bremerhaven bleibt uns in Erinnerung als Stadt mit Lautstärke - noch vor einer Woche waren es tagsüber Baumaschinen und heftige Gewitterböen am Abend, die - jede auf ihre Weise - Eindruck hinterließen; gestern Nacht waren es Discomusik, Budenrummel und vor allem tausende von stimmgewaltigen Menschen, die den Neuen Hafen mit seinem hundertjährigen Geburtstagskind ASTARTE umvölkerten. Das triste Hafenbecken wurde durch einige Schönheiten aufgewertet, womit natürlich in erster Linie solche im Hafenbecken gemeint sind. Der WAL ist da, die dänische Hilfsmarineflotte, die SØRLANDET, einige holländische Plattbodenschiffe ... und natürlich die MALTZAHN als 25 Jahre jüngeres Schwesterschiff der ASTARTE.
Ihre Huldigung hat die MALTZAHN jetzt seit einer ganzen Woche erwiesen, heute jedoch soll sie wieder in See stechen. Sie soll mit uns in die Ostsee. Auf keinen Fall wollen wir jedoch schon auf der Hinfahrt durch den NordOstseekanal und auch nicht durch die Eider (was gleichbedeutend wäre); und da bleiben nur zwei Wege: Rund Skagen oder durch den Limfjord.
Mit der Aussicht mit Verstärkung durch zwei weitere Besatzungsmitglieder in der zweiten Woche sollte es zu schaffen sein, nicht nur die Strecke zu bewältigen, sondern nebenbei auch noch Urlaubsgefühle zu entwickeln.
Gegen Mittag fängt es an zu ebben. Wir werfen die Leinen los und werden lautstark von der ASTARTE-Mannschaft verabschiedet. Die Wartezeit in der Schleuse wird mit dem Abhören des Wetterberichts verkürzt, und dann geht es auf die Weser. Statt vor dem angesagten Südwest kreuzen wir gegen einen sanften Nordwest an, der zum Lüftchen verkommt, als wir Helgoland querab sehen.
Die erste Nacht bricht an, und es ist ein merkwürdiges Gefühl, die vertraute Insel nicht anzulaufen, an ihr einfach so vorbeizugleiten. Die Backbordwache übernimmt ihren Dienst, als Sigi und ich für die nächsten vier Stunden in die Kojen kriechen. Mathias wird als Skipper von den Wachen freigestellt und der zehnjährige Merten ebenfalls. Die Schiffsführung bleibt Kurt und Rolf als Backbord-Wache zunächst überlassen.
In der Nacht schläft der Wind immer mehr ein, und die Maschine hilft schon eine Weile, als die Steuerbordwache an Deck kommt. Sie wird mit der aufgeregten Geschichte empfangen, daß in der Nacht das Blasen eines Wals zu hören gewesen sei - ganz dicht! Meine Behauptung, das Geräusch sei auf den immer wieder einmal in die Wellen eintauchender Auspuff zurückzuführen, wird entrüstet zurückgewiesen. Naja, es wird sich wohl nie endgültig klären lassen.
Es ist mild und wolkenverhangen. Eine leichte Dünung aus West verrät uns nicht, welcher Wind dahinter einmal gesteckt haben mag. Jedenfalls kommt er jetzt aus Ost und nimmt zum Morgen hin etwas zu. Sigi wird es mulmig, und unsere Morgenwache wird für sie zur Tortur. Auch das Hissen des Danebrogs als Gastlandflagge heitert sie nicht wesentlich auf, weiß sie doch, daß wir noch lange keinen Hafen anlaufen werden.
Nachdem der Wind über Ostsüdost auf Nordost zurückdreht und zunimmt, ist klar, daß wir ein Randtief erwischt haben, daß uns den Tag über mit reichlich Regen begleiten wird. Die grüne Kiste mit den Süßigkeiten hat jetzt Hochkonjunktur, leider auch für Merten, dem nicht lange nach reichlich Nappos’ ebenfalls schlecht wird. Sigis’ Seekrankheit hat sich inzwischen in Bauchweh gewandelt - Kurt kocht Reis und Mathias spendiert eine Wärmflasche (der Mann denkt aber auch an alles!)
2. Tag Sonntag
Position 54º21’680’’ 08º02’194
0200 E 2
0415 E 3-4 mittl.K/F/G/B Stb.Wache
0600 ESE 4 Danebrog gesetzt
0800 ESE 4 Bb.Wache
1045 ENE 5 Horns Rev passiert
1200 NE 5 schlechte Sicht, Stb.Wache
1400 NNE 5 Positionslampen gesetzt (Schiff in Sicht)
1600 N 5 kreuzen, Bb.Wache
1800 NNW 4 Sigi noch nicht fit, Stb. Wache mit Kurt
2000 NNE 3 Bb.Wache
2200 NW 3-4
0000 NW 2 Aufkreuzen vor Ringkøbing Fjord, Stb.Wache
Gegen Mittag passieren wir Horns Rev und müssen immer höher anliegen. Bis zum Nachmittag dreht der Wind auf Nord, und schließlich ist er bei NNW angelangt. Sigi und Merten sind inzwischen aus dem Vorschiff-Fahrstuhl in die bequemeren Salonkojen umgezogen; Merten stiert uns ab und zu genervt aus seiner Koje an - er hat 24 Stunden durchgeschlafen, das beste Mittel gegen Seekrankheit. Jetzt aber kann er nicht mehr schlafen und klagt über Langeweile. Den Vorschlag, doch wieder an Deck zu kommen und den Steward zu spielen, wie er es gestern noch so eifrig tat, den Vorschlag lehnt er matt ab.
Die an Deck verbleibenden zeigen eine gute Mannschaftsleistung: Jeder tritt für den Anderen ein, man bietet sich gegenseitig Kojen an, kocht Kaffee und Tee, sorgt für Schokolade-Nachschub... selbst hartgekochte Eier zum Frühstück stellen kein Hindernis dar. Das Wetter gibt nicht gerade Anlässe zur Ausgelassenheit, umso wichtiger ist die gute Moral. Dauerregen begegnet man am besten mit Humor und guter Versorgung.
Gegen Abend bessert sich das Wetter; dafür kommt jetzt kühle Rückseitenluft aus dem lokalen Tief von Nordwesten. Zum ersten und letzten Mal werden in diesem Sommer die dicken Pullover ausgepackt. Wüßten wir schon jetzt, was in den nächsten Wochen auf Nord-Europa zukommen wird, wir trägen sie zu unserem Vergnügen langer als nötig. Schon in der Nacht, als der Wind immer mehr einschläft, wird es wieder wärmer. Wir kreuzen unter locker bewölktem Sternenhimmel vor Hvide Sande, beobachten die Manöver der Fischer in der näheren Umgebung und freuen uns an der nicht enden wollenden Dämmerung am Nordhimmel. Mutmaßungen über einen eventuell bevorstehenden Mondaufgang muß der astronomisch Versierte eine klare Absage erteilen.
3. Tag Montag
0200 NW 1-2
0400 WSW 4 Bb.Wache
0600 WSW 3
0800 WSW 3-4 Stb.-Wache mit freundlichem Wetter und
Regenbogen begrüßt
1000 WSW 3-4 Besantop gesetzt
1200 W 4 Bb.Wache
1315 W 4 angefangen, Segel zu bergen
1430 W 4 Thyborøn fest
Der Morgen begrüßt die Steuerbordwache mit freundlichem Wetter und der Aussicht auf baldigen Landfall. Der Wind hat von Nordwest auf Westsüdwest gedreht und schiebt die Maltzahn in Richtung Thyborøn. Dort wollen wir nach etwas über 250 zurückgelegten Seemeilen festmachen und ausruhen. Die Mannschaft ist jetzt wieder komplett einsatzfähig, aber die beiden Tage haben doch ganz schön geschlaucht. Vor der Limfjordmündung bergen wir die Segel und laufen bei herrlichstem Badewetter in den Hafen ein. Wen es nicht mehr hält, der geht zur einzigen (!) Toilette oder zum nahe gelegenen Strand. Merten nutzt die Gunst der Stunde, sich als Schiffsführer zu verdingen, den Touristen ein bißchen Geld aus der Tasche zu ziehen und es sogleich in Süßigkeiten umzusetzen. Die anderen klaren auf, sorgen für Frischwasser und machen Pläne für den Nachmittag. Es ist an der Zeit, die letzten fehlenden Seekarten zu kaufen, und in den Mast müßte auch jemand oder „Einer.“ Der Eine bin dann ich, und mit einer bunten Mischung aus Zange, Plastikschellen, Hammer, Fotoapparaten und ich-weiß-nicht-mehr-was-noch lasse ich mich in den Großmast ziehen. Das Kabel zum Toplicht muß neu befestigt werden. Bis in den frühen Abend bin ich damit beschäftigt und vergesse das Fotografieren nicht dabei. Den Abend beenden wir mit einem opulentem Mahl von Kurt sowie Gitarrenmusik vom Mathias und Rudi. Das erste Bier von unheimlich wenigen wird gerade so geschafft (wenn es hoch kommt trinken die eifrigsten unter uns vielleicht einmal drei Bier an einem Abend) dann fallen wir um zehn Uhr erschöpft in die Kojen.
50 Motormeilen, 202 Segelmeilen, gesamt 252 sm
4. Tag Dienstag
0800 S 2
0945 SSE 2 Maschine ablegen, Bb.Wache
1200 SSE 2 Stb.Wache
1305 E 1-2 passieren Oddesund Bro
1315 E 1-2 G/B Motorkegel
1400 E 1-2
1545 SSE 1-2 passieren Sallingsund Bro (26m Höhe)
1650 SSE 1 Maschine bergen Segel
1800 SSE 0-1 werfen Anker vor Livø Havn
Trotzdem geht es am nächsten Morgen früh aus den Federn und bei lauen südöstlichen Winden durch den westlichen Limfjord. Die Pullover verschwinden in den Zampeln, und kurze Hosen gehören ab jetzt zur Standardkonfektion.
Vor der Oddesund-Brücke müssen wir eine halbe Stunde auf deren Öffnung warten, ab dann geht es ungehindert weiter vorbei an Jegindø durch die Kas Bredning in den Sallingsund. Halt! So ganz ungehindert geht es dann doch nicht. Wie hoch ist eigentlich unser Großmast? - Die Sallingsundbro hat eine Durchfahrthöhe von 26 Meter. Und unser Mast? Kurz vor der Brücke kommen wir auf die Idee, mit Hilfe des Topflaggenstanders nachzumessen und kommen auf ca. 23 Meter. Naja, das müßte reichen! Trotzdem fahren wir sehr langsam und vorsichtig auf die Brücke zu und unter ihr durch.
Inzwischen haben wir die Schnauze vom Motoren voll und probieren es wieder und wieder mit dem Segeln. Es hilft nichts, wir sind dann einfach zu langsam. Es bedarf nicht vieler Überredungskünste, und die Mannschaft beschließt, bei Livø einen Ankerplatz zu suchen. Sigi und ich haben die Insel von vor zwei Jahren in bester Erinnerung und schildern ihre Vorzüge in den schönsten Farben; und wir werden auch dieses Mal nicht enttäuscht: Keine Autos, keine Hunde, kein Dreck, ein niedliches Dorf und ein niedlicher Hafen. Letzterer ist natürlich nichts für die Maltzahn, aber der Ankergrund davor ist nicht zu verachten. Wir wassern den Milchzahn, der bisher nur als (tatsächlich auch einmal genutzte) Badewanne gedient hat, und rudern zu fünft zum Hafen. Mathias geht joggen, Merten, Sigi, Rolf und Rudi gehen baden. Rolf und ich nehmen unsere Herzen in die Hand und schwimmen zur Maltzhan hinaus, wo Kurt als Ankerwache zurückgeblieben ist. Wir sehen uns mit seiner Hilfe das Leck im Spiegel an, durch das bei Marschfahrt unter Motor immer wieder eine Menge Wasser eindringt. Wir finden das Leck, das weit über der Wasserlinie liegt, doch inzwischen ist uns beiden Schwimmern recht kalt geworden. Wir sehen zu, daß wir wieder zum Strand zurück kommen. Die letzten Meter werden doch schon ganz schön anstrengend, und als wir angekommen sind, fehlen unsere Klamotten! Merten und Sigi haben sich den Spaß gegönnt und kommen jetzt feixend hinter den Büschen hervor. Alles sehr komisch, wenn man bibbernd am Strand steht. Handtücher haben wir natürlich keine mitgenommen, weil ein Bad ursprünglich gar nicht vorgesehen war. Also wird sich warmgelaufen, und der Ort ist wirklich einen Besuch wert. Ein Hase hoppelt von der einen Seite über die Straße, Kröten kommen ihm entgegengehüpft. Eine ganze Kinderhorde spielt auf dem Fußballplatz, woanders sitzen Mädchen und singen dänische Volkslieder...
Zurück auf der Maltzhahn wird der Milchzahn wieder an Deck gebracht und Kurts’ Küche goutiert. Danach machen sich Rolf und Rudi an Deck ihre Schlaflager zurecht, der Blecheimer wird als Ankeralarm auf das Spill gestellt und dann wird nur noch die nordisch helle Nacht genossen.
45 Motormeilen, gesamt 297 sm
5. Tag Mittwoch
0600 SSE 3
0710 SSE 3 Maschine Anker auf, Bb.Wache
0800 SSE 3 Stb.Wache
1000 SSE 3
1200 E 3-4 Wachwechsel bei Betonnungswechsel vor
Ålborg
1210 passieren Eisenbahnbrücke und machen
an der Kaje zum Einkaufen fest
1300 ESE 4 Maschine passieren Straßenklappbrücke
1400 ESE 4
1530 ESE 4 passieren Hals
1555 ESE 4 G/B/Maschine fangen an, Segel zu setzen
1600 ESE 4 Stb.Wache
1615 ESE 4 mK/F/G/B Maschine aus
1800 ESE 3 Bb.Wache
2000 ESE 2-3 Stb.Wache
2215 ESE 2 Positionslaternen gesetzt (Frachter nähert)
In der Nacht poltert der Eimer diverse Male an Deck, und der einzige, der davon aufwacht, bin ich. Immer wieder schäle ich mich aus Schlafsack und Hängematte, bis ich entnervt aufgebe und mich unter Deck verziehe. Der Wind hat über Nacht allmählich um 180º gedreht, aber wir liegen weiterhin sicher vor der Insel.
Der Morgen beginnt für uns alle früh, denn wir wollen endlich in die Ostsee und viele Meilen schaffen. Vor uns liegt der lange Schlauch des östlichen Limfjordes zwischen Løgstør und Hals, den wir wieder nicht segeln werden können. Mit nicht allzu guter Laune motoren wir wieder einige Stunden, bis wir in Ålborg die Wartezeit bis zur nächsten Brückenöffnung für einen kurzen Einkauf verkürzen. Drei Stunden später sind wir in der Ostsee und setzen Segel. Doch ausgerechnet von dort kommt der Wind, wo wir ursprünglich hinwollten. Einige von uns waren noch nie auf Anholt, und nun soll es wieder nichts damit werden. Auch Kopenhagen ist bei dieser Windrichtung nicht drin. Also halten wir uns so gerade eben südsüdöstlich, um aus der Ålborg Bugt herauszukommen. Segeln bis zum Geht-Nicht-Mehr! In der anbrechenden Nacht flaut es immer mehr ab, der Sonnenuntergang war aber auch alles andere als trügerisch, wenn man alten Wetterregeln Glauben schenkt.
6. Tag Donnerstag
0000 E 1-2 Bb.Wache
0030 E 1 Wende
0100 SE 0-1 Wende
0110 SE 0-1 Maschine/Segel Klüver festgezurrt, Fock geborgen
0200 - -
0400 - - Stb.Wache
0430 E 1 Klüver geborgen
0600 E 1-2
0645 E 1-2 mK/F/G/B Maschine aus
0800 E 2-3 Bb.Wache
0815 E 3 mK/F/G/T/B Großtop gesetzt
0900 E 3 gK/F/G/T/B mittleren gegen großen Klüver aus-
getauscht
1000 SE 3
1130 SE 3 gK/F/G/B Großtop geborgen
1150 SE 3 Maschine restliche Segel geborgen
1200 SE 3 Stb.Wache
1315 anlegen Südmole Alter Hafen Ebeltoft
Wieder einmal mit dem Wachwechsel ändert sich die Lage für die Wachhabenen grundlegend. War es auf der Nordsee einige Male der Wechsel von Regen zur Trockenheit und umgekehrt, so ist es jetzt der Wechsel von (ganz wenig) Wind zur (totalen) Flaute. Nach zwei unfreiwilligen Wenden und einer halben Stunde weiteren Versuchen, das Schiff unter Segeln voran zu bringen, schmeißen Kurt und Rolf entnervt die Maschine an. Ich gehe derweil in meine Koje ...
Am frühen Morgen versuchen wir es noch einmal mit den Segeln, bei Ost 1-2 Bft. schon ein verzweifeltes Unterfangen. Doch allmählich legt der Wind bis auf drei Windstärken zu, und endlich tauschen wir auch den mittleren gegen den großen Klüver aus. Auch das Großtopsegel kam zum ersten Mal zum Einsatz. Mit guter Fahrt geht es an Grenå vorbei und unserem Tagesziel näher. Ebeltoft soll es sein. In der Bucht nehmen wir nacheinander die Segel herunter und kommen seit Livø nach 81 Motor- und 31 Segelmeilen an der Kailmauer im Alten Hafen zu Liegen.
Ebeltoft begrüßt uns mit Hitze und Soft-Is für alle. Der erste Landgang für Kurt seit Thyborøn und Zeit, die Beine baumeln zu lassen. Der Nachmittag verläuft sich in einen ebenso warmen Abend. Der Hochsommer hat Nordeuropa jetzt voll im Griff. Vor uns liegt eine herrlich als Oldtimer gebaute ................... aus Christianopel/Schweden, deren Mannschaft uns freundlich einlädt, ihr Schiff zu besichtigen. Es stellt sich als ein kleines Schmuckstück heraus, das weitaus mehr Beachtung gewinnt, als am nächsten Tag der Besuch der Fregatte „Jylland“ verdient. Wir sind nicht enttäuscht, aber auch nicht schier begeistert von der Touristenattraktion. Da stellt sich - besonders bei Rolf - schon eher große Freude über das lustige Tankmobil ein, das uns am Morgen zu einer kräftigen Ladung Diesel verhilft, dessen Besitzer mit viel freundlichen Worten für den Stoff sogar billiger als später die grimmigen Herren in Brunsbüttel sorgt.
7. Tag Freitag
1450 SSW 3 Maschine ablegen, Bb.Wache
1500 SSW 3 G/B/Maschine gegen den Wind aus der Ebeltoft Vig
heraus
1600 SSW 3 Stb.Wache
1630 SSW 3 gK/F/G/B bis 1650 Segel setzen
1650 SSW 3 Maschine aus
1810 SSW 3 gK/F/G/B/T setzen Besantop
2000 SSW 3 beginnen Segel zu bergen, Stb.Wache
2025 SSW 3 Maschine Einlaufen Knebel Vig
2115 SSW 3 1. Ankerversuch
2125 SSW 2-3 2. Ankerversuch
Inzwischen ist Merten an die Grenzen der Ausbeutbarkeit besichtigungswütiger Touristen gestoßen; nicht allein die Konkurrenz der Jylland macht sich bemerkbar. „Die Dänen sind manchmal etwas schwer von Begriff,“ faßt Merten seine Erkenntnisse zusammen. Es wird also Zeit, wieder loszukommen und unseren neuen Crewmitgliedern ein wenig entgegen zu segeln. In Århus wollen Swup und Gisela uns verstärken, und das soll morgen passieren. Wir können für eine Ankernacht wählen zwischen den Buchten von Begtrup, Egens und Knebel und entscheiden uns für letztere. Zu Mertens’ große Freude (und - zugegeben - auch zu unser) wassern wir vorher noch den Milchzahn und setzen meinen Filius dort hinein.
Die Ebeltoft Vig stellt uns vor die Alternative, zu kreuzen oder zu motoren; wir entscheiden uns für’s Faulsein, werden dafür aber nicht unter Segelsetzen innerhalb von zwanzig Minuten nach Umrunden des Sletterhage „bestraft“. Hinter uns feixt der Leichtmatrose im Milchzahn über die zunächst abnehmende Geschwindigkeit, doch als wir schließlich unter Topsegeln dahinrauschen, ist nur noch ein begeistertes „Brmmm!!“ zu hören. Zwei Stunden später ist der Spaß schon wieder vorbei, wir laufen in die Knebel Vig ein und machen den Anker klar. Gegen den Vorschlag, doch einmal die Ankerkette auszuprobieren, schäkeln wir wieder die Trosse an den Anker, müssen ihn beim ersten Versuch wieder einholen und sind auch mit dem zweiten nicht glücklich; aber wir lassen ihn dieses Mal liegen, wo er ist und teilen uns in einstündige Ankerwachen ein.
Ich weiß nicht, wie es den anderen ergangen ist, aber mir ist als erster Wache nur zu schnell bewußt, daß diese Nacht die dööfste der ganzen Reise wird: es nieselt, es ist sogar kühl dabei und die Maltzahn schwoijt wie wild hin und her. Den bescheuerten Signaleimer habe ich ganz schnell auf dem Deck stehen lassen, nachdem er zweimal vom Spill auf’s Deck gepoltert ist. Wozu bin ich denn da? - Zum Herumspielen mit dem Handlot zum Beispiel. Ganz begeistert beobachte ich das Meeresleuchten, das dabei entsteht. Ganz entgeistert bin ich, als ich aus einem mir unerfindlichen Grund das Ganze auf der anderen Seite des Schiffes ausprobiere: nur noch zweieinhalb Meter Wassertiefe! Die Maltzahn schmiegt sich regelmäßig an einen Unterwasserabhnag, wird dann wieder von ihm weg gedrückt und schmiegt sich erneut an. Ich wecke Mathias, der dieses dichte Zusammenliegen von 2 - und 5 Meterlinie als nicht ernstzunehmend einstuft, und nicht viel später darf ich dieses Erlebnis in meine Träume mit einbauen.
12 Motormeilen, 17 Segelmeilen, gesamt 448 sm
8.Tag Sonnabend
0000-0100 1.Ankerwache Rudi
1000 SSW 2
1050 SSW 2 B/F Anker auf unter Segeln, Bb.Wache
1100 SSW 2 gK/F/B
1150 SSW 2 gK/F/G/B leichte Grundberührung im Ausgang der
Knebel Vig, Freikommen mit Motorhilfe
1200 SW 3 Stb.Wache
1400 SW 1
1435 SW 0-1 Maschine bergen Klüver und Fock
1450 SW 0-1 bergen Groß und Besan
1610 festmachen im alten Yachthafen Århus
an Bord kommen Swup und Gisela
(als Mittelwache)
Am nächsten Morgen sind alle irgendwie genervt, weil irgend jemand nicht seine volle Wache durchgestanden hat. Keiner will es gewesen sein, und so ein Verhalten bringt Unfrieden. Zwar klappt das Ankeraufmanöver ohne Motorhilfe ganz gut, aber wie zur Strafe für unsere Laune kommen wir im Ausgang der Knebel Vig auf Grund; aber bevor die Bucht ihrem Namen alle Ehre macht, kommen wir mit der Maschine achteraus frei und segeln mit zunehmend guter Laune in einen warmen Tag hinein. Es wird kein langer Segeltag, denn Århus liegt dicht vorbei, aber wir segeln so langsam, wie es irgend geht - keine Kunst bei 2 Windstärken von vorn. Kurz nach Mittag haben wir mit Swup und Gisela ein Einsehen, die bestimmt schon im Hafen auf uns warten, starten die Maschine und sind gut eine Stunde später da. Und tatsächlich - da stehen sie an der Pier des Museumshafens, helfen uns beim Festmachen und umarmen uns herzlich zur Begrüßung. Endlich etwas weniger Arbeit und mehr Schlaf, mag der eine oder andere von uns im Stillen denken, und flugs werden die beiden Neuen in eine sogenannte Mittelwache eingeteilt, die als dritte Wache fungieren soll.
Mit Swup schleppe ich mich über die heißen, steilen Straßen zum Supermarkt, der uns mit dem Notwendigsten für die nächsten Tage versorgt, obwohl wir eigentlich nur an Eis und Getränken wirklich interessiert sind. Die anderen danken uns den Einkauf mit einer Mischung aus Kritik und Schulterzucken. Trotzdem versuche ich es immer wieder mit dem Einkaufen. Auffällig oft bin ich dabei (nur in Sønderborg halte ich mich mit Gewalt davor zurück), aber die Frage zu klären, ob es in Dänemark nun H-Milch gibt oder nicht, weiß auch ich nicht.
Århus lädt zum im-Schattensitzen ein - oder zum Segeln! Schnell ist der Milchzahn aufgeriggt und mit Swup, Merten und Rudi unterwegs. Erst zum Abendessen machen wir wieder an der Maltzahn fest - ein Essen von Kurt zu verpassen, traut sich dann nun doch keiner. Und es lohnt sich wieder einmal, den Magen tagsüber geschont zu haben ...
7 Motormeilen, 7 Segelmeilen, gesamt 462 sm
9.Tag Sonntag
0615 SW 2 Maschine ablegen, Stb.Wache
0620 SW 2 gK/F/G/B nach und nach setzen wir Segel
0720 SW 2 gK/F/G/T/B
0930 NNW 2 gK/F/G/T/B/T ab 0800 Mittelwache
1000 NNW 1
1200 N 0-1 Bb.Wache
1300 SSW 1 Segel/Maschine fahren den Kirkegrund mit Maschine aus
1400 SSW 2 gK/F/G/T/B/T
1535 SSW 2 G/B/Maschine bergen Klüver, Fock und Topsegel
1600 SSW 2 Stb.Wache
1640 SSW 2 gK/F/G/B/Maschine setzen Klüver und Fock
1655 SSW 2 gK/F/G/B Maschine aus
1800 S 0-1 Maschine an, Segel bergen, M-Wache
2000 - - Maschine Bb.Wache
2230 SSW 1 einlaufen Kerteminde
2240 SSW 1 auslaufen Kerteminde
2300 SSW 1-2 Anker fällt auf 4m Wassertiefe Nwlich von
Risinge Hoved
Früh zieht es uns aus Århus, der Hitze des Hafens davon. Um halb acht stehen schon alle Segel, und bei leichtem Südwest kreuzen wir auf Samsø zu. Unter Vollzeug sind wir die folgenden Tage oft unterwegs; die Topsegel gewinnen wir richtig lieb - allein: belohnt wird unsere Mühe nur selten. Zu wenig Wind ist die Strafe für jeden Segler. Eine Gelegenheit immerhin, um ‘mal vom Schiff aus zu baden. Wieder sind es Rolf und ich, die sie nutzen; dann macht auch Merten seinen langangekündigten Schwimmwestentest: Sie trägt ihn! Der Klüverbaum wird noch zwei Mal zum Sprungbrett, und weiter geht es mit einer schwachen Brise aus südlichen Richtungen. Segeln ist das noch nicht richtig. Schon den Kirkegrund westlich Samsø müssen wir mit Maschine ausfahren; am Nachmittag ist es endgültig vorbei mit der Segelei, und der Motor dröhnt weitere fünf Stunden ...
Auf der anderen Seite hat die Mannschaft auf diese Weise Gelegenheit, notwendige Reperaturen durchzuführen oder zu faulenzen. Merten lernt Knoten und Gesetze, Swup und Kurt basteln an irgend etwas herum - in gewisser Hinsicht ähnelt unser Bordleben dem früherer Zeiten, wenn auch die Anteile von Knechterei, Selbsterfüllung und Freiheit ganz anders aufzuteilen sind. Abwechselung bieten immer wieder Naturschauspiele wie an uns vorbei ziehende Schweiswale und die herrlichen Pastellfarben, die ein Sonnenuntergang auf das spiegelglatte Wasser im Norden zaubern kann. Für ein paar Minuten schimmmert es blassrosa und hellblau.
Schon nach Sonnenuntergang gelangen wir nach Kerteminde, wo uns das zweifelhafte Vergügen eines dänischen Volksfestes empfängt. Nach einer kurzen Runde im Hafen stimmen wir ab, und außer Kurt und Merten sind alle dafür, es wieder mit dem Anker zu versuchen - dieses Mal aber mit Kette! Rolf stöhnt zwar, hilft dann aber doch tatkräftig mit, die Kette aus dem Kasten zu ziehen und in langen Bahnen auf dem Deck auszulegen; der Skip möchte 35 Meter zur Verfügung haben, und um 23 Uhr fällt der Anker schließlich mit tollem Rattern auf 4 Meter Tiefe beim Risinge Hoved.
45 Motormeilen, 15 Segelmeilen, gesamt 522 sm
10. Tag Montag
0830 NW 2 G/B Milchzahnruder-Suche erfolglos
0900 NW 2 gK/F/G/B Anker auf
0930 NW 2 gK/F/G/T/B/T
1000 NW 2 Kurs Østerenden Große-Belt-Brücke
1200 NNW 2 Stb.Wache
1330 N 2 passieren Store Belt Bro im Mittelfach
1335 N 2 gK/F/G/T/B bergen Besantopsegel
1400 N 2
1540 N 0-1 G/T/B/Maschine
1600 N 0-1 Mittelwache
1640 N 0-1 passieren Kobberdyb
1800 E 1 Bb.Wache
1815 E 1 G/B/Maschine
1840 E 1-2 Maschine Segel geborgen
1930 festmachen im Svendborg Museumshavn
längsseits „Grøne Erna“
Die Nacht wird unruhig. Immer wieder schlagen Wellen den Milchzahn an die Bordwand, und in der Hängematte schaukelt es mich so heftig, daß ich mit dem Becken gegen einen der Poller pralle und das Draßenschlafen wieder einmal frühzeitig beende. So verpasse ich wieder einmal einen der phantastischen Sonnenaufgänge. Rolf dagegen schläft nun schon seit einer Woche fast nur an Deck und ist selig. Morgens erzählt er uns dann immer von den Planeten, die zu sehen waren. Diesen Morgen aber macht er sich mit Merten erst einmal auf die Suche nach dem Ruder des Milchzahns - es muß nachts vom Geschaukel aus den Angeln gehoben worden sein. Aber wie weit kann es dann noch abgetrieben worden sein? Mit dem Außenborder bewaffnet suchen die beiden einen Kreis um die Maltzahn ab, doch bleibt die Suche erfolglos.
Dann machen wir uns daran, den Anker zu heben. Rolfs’ Befürchtungen, die Kette sei einfach unmöglich schwer, bewahrheitet sich nicht, und auch beim Aufholen
gibt sie sowie das Pumpspill mit seinem Klick Klick Klick tolle Geräusche von sich. Es dauert zwar etwas länger, aber in dieser Zeit können die anderen die Segel setzen, und mit Klüver, Fock, Groß und Besan verlassen wir den Ankerplatz.
Heute schiebt uns ein nördliches Lüftchen voran, bis knapp hinter die Brücke über den Storebelt können wir richtig gut segeln. Doch dann ist’s wieder vorbei, und wir sind von allen Seglern fast die letzten, die die Segel bergen. Erst im Svendborgsund gibt es wieder Wind, aber dort ist’s zu eng für die Maltzahn. Neidisch werden wir doch ein wenig auf die, die dort gegen den Strom ihre Regatten segeln ...
Voraus liegt der große Hafen von Svendborg mit seinem Fähranleger für die kleinen Inseln in der Dänischen Südsee. Gleich dahinter ist der Museumshafen, und dort finden wir längsseits von „Grøne Erna“ einen Platz für die Nacht - traditionell ohne Hafengeldpflicht. Jeder geht jetzt für eine Weile seinen eigenen Beschäftigungen nach, denn aufgeklart ist natürlich längst. Zum wieder einmal phantastischen Abendessen von Kurt finden wir uns dann alle wieder zusammen, und der Abend endet für einige von uns mit einem Bummel durch die Stadt.
25 Motormeilen, 15 Segelmeilen, gesamt 562 sm
11.Tag Dienstag
1200 NNW 2 Maschine Mittelwache
1300 NNW 3-4 gK/F/G/B/Maschine setzen Segel
1320 W 4 gK/F/G/B
1400 W 4
1600 W 4 Segel/Maschine Bb.Wache, fangen an Segel zu bergen
1650 fest im alten Hafen Fåborg
Am nächsten Morgen scheint die Sonne schon wieder erbarmungslos vom Himmel - soll es etwa immer nur so weitergehen, vor allem mit den lauen Winden? Nein, heute haben wir Glück: Kaum daß sich der Sund nach Westen hin öffnet, kommt eine frische Brise aus Nordnordwest uns genau auf die Schnauze - aber umso besser; endlich ‘mal wieder richtige Arbeit an den Segeln!! Und tatsächlich bescheren uns die nächsten Stunden das schönste Ostseesegelvergnügen dieses Törns. Zwischen Skarø, Avernakø und Store Svelmø kreuzen wir, was das Zeug hält, und als Mathias das Kommando zum Segelbergen gibt, ist das einigen von uns viel zu früh ... Doch Fåborg ist unser Ziel, und es ist mit seiner geschützten und vielseitigen Bucht immer eine Reise wert. Wir kommen gerade noch mit an der Pier unter, so voll ist diese (mit größtenteils viel zu kleinen Booten). Unser Klüverbaum ragt gefährlich weit in die Einfahrt zum inneren Hafenbecken, und es bedarf zunächst einiger Geduld und dann Mertens frecher Überredungskünste, den Holländer hinter unserm Schiff zum Zurücksetzen zu bringen. Zum Schluß wird um Zentimeter gefeilscht, bis Merten zufrieden ist. Wieder zerstreut sich die Mannschaft in alle Himmelrichtungen. Ich habe gerade herausgefunden, daß es möglich ist, mit dem Milchzahn aus dem Hafen herauszuwriggen und über einen neu angelegten kleinen Kanal durch eine östlich angelegte Einfahrt von hinten in den Hafen wieder hineinzukommen. Diese Tour biete ich sozusagen als Bonbon diversen Mannschaftsmitgliedern an, und wir haben eine Menge Spaß dabei, die Jachties uns angaffen zu sehen.
5 Motormeilen, 17 Segelmeilen, gesamt 584 sm
12.Tag Mittwoch
1000 NNE 2
1015 NNE 2 Maschine ablegen Fåborg, Mittelwache
1030
bis
1130 NNE 2 gK/F/G/T/B/T Segel setzen
1200 NNE 0-1 Bb.Wache
1205 NNE 0-1 gK/F/G/T/B Besantop bergen
1535 - - Segel/Maschine
1540 - - G/B/Maschine die Hoffnung stirbt noch nicht ...
1600 - - Stb.Wache
1605 - - Maschine bergen den Rest an Segeln
1800 - - Mittelwache
1805 - - festmachen Sønderborg Stadthafen
Stella kommt an Bord, es wird eingekauft
1915 - - Maschine ablegen Sønderborg
2000 SW 1 Bb.Wache
2040 SW 1 fallen Anker auf 4,5m Wassertiefe in der
Hørup Hav
Am nächsten Morgen ist es vorbei mit der Herrlichkeit, zwar setzen wir gegen Mittag noch voller Hoffnung alles an Segeln, was wir haben - aber es will einfach nichts werden mit dem Wind. Der Kleine Belt liegt spiegelglatt und leicht gewellt vor und hinter uns - weit und breit sind nur motorende Segler zu sehen, und dazu ist es beinahe unerträglich heiß geworden. Wir motoren schon bald mit, denn wir wollen in Sonderborg als letzte Verstärkung Stella abholen und noch ein wenig einkaufen. Wir steuern in den Stadthafen hinein, und dort steht sie schon und winkt uns zu. Schnell haben wir festgemacht, und bis auf Swup, Kurt und mich ausnahmsweise auch ‘mal gehen alle einkaufen.
Als die anderen wieder da sind, sind die Leinen auch schon wieder fast losgeworfen, denn wenigstens noch einmal ankern wollen wir, bevor es immer deutlicher in Richtung Heimat geht. Wir haben uns die Hørup Hav ausgesucht, und liegen damit genau richtig. Stille umgibt uns dort, und ein harmonischer Abend klingt spät aus.
30 Motormeilen, 4 Segelmeilen, gesamt 618 sm
13. Tag Donnerstag
1050 SE 2 F/G/B Anker auf unter Segeln, Bb.Wache
1100 SE 2 gK/F/G/B
1130 SE 2 Rolfs Mütze wird aus dem Wasser geborgen
1200 SE 2 Stb.Wache
1235 SE 2 gK/F/G/T/B/T setzen Groß- und Besantop
1300 SE 2 für ein paar Minuten Maschine an, um Wind-
feld hinter dem Süd-Huk der Hørup Hav zu
erreichen
1310 SE 2 gK/F/G/T/B bergen Besantop
1400 SE 3 kreuzen in der Flensburger Außenförde
1600 SE 2 Mittelwache, Begräbnis einer Arbeitshose
auf 54º50’70’’ u. 09º55’00’’
1800 E 1 Bb.Wache
2000 SE 1 Stb.Wache
2130 SE 1 Maschine Segel werden geborgen
2200 SE 1
2310 SE 1 einlaufen in die Schlei
2345 SE 1 Anker fällt auf 3,2m Wassertiefe vor dem
Hafen von Maasholm
Wieder bringen wir ein gutes Ankerauf-Manöver unter Segeln zustande - doch kaum, daß die Maltzahn Fahrt aufgenommen hat, müssen wir sie schon wieder daran hindern, weil Rolf’s Mütze über Bord gegangen ist; immer, aber auch wirklich immer hat er sie an seiner Hose festgebunden, nur heute morgen nicht. Und schon geht sie stiften! Wir fahren eine Wende, wir fahren eine zweite, doch gerade haben wir sie abgeschrieben, da entdeckt sie doch jemand querab im Wasser schwimmen (muß wohl am Fett liegen, daß sie in den letzten heißen Wochen aufgesogen hat). Wir bergen sie und feiern unser (fast) perfektes Mützen-Über-Bord-Manöver.
Noch in der Hørup Hav haben wir alle Segel gesetzt und driften mit einer ganzen Armada von Yachten der Sønderborg Bugt entgegen. Immer langsamer geht es voran, und nicht lange lassen sich zwei Meernixen bitten. An langer Leine schwimmen Stella und Sigi für ein paar Minuten achteraus, und die Herren der Schöpfung überlegen, es ihnen gleich zu tun, als doch wieder eine leichte Brise das Schif vorantreibt - in das nächste Flautenloch hinein. Doch keine Kabellänge voraus zeigen sich Katzenpförtchen, die wir unter Zuhilfenahme der Maschine schnell erreichen.
In der Flensburger Außenförde müssen wir zwar kreuzen, aber es geht wenigstens voran. Swup probiert das Walker-Schlepplog aus und meldet drei Knoten Fahrt; das haben die Phänomenologen unter uns natürlich schon schneller herausgefunden, aber das Log fasziniert in seiner Arbeitsweise doch immer wieder.
Mit dem Wachwechsel von der Steuerbord- zur Mittelwache findet ein Begräbnis erster Klasse statt; Rudi trennt sich (endlich!) von seiner kurzen, weitestgehend zerfetzten Arbeitshose, und mit salbungsvollen Worten des Skips geht sie über die Planke, und nach kurzem zögerlichen Aufenthalt auf der Wasseroberfläche den Weg alles Irdischen - zum Grund der Flensburger Förde. Womit die Hose, gut vernäht, das notwendige Gewicht zum Absinken erhalten hat, will der ehemalige Besitzer nicht mitteilen, und er lüftet auch heute das Geheimnis nicht.
Wieder in deutschen Gewässern! - Und schon nimmt der bürokratische Sinn dieses unseres Heimatlandes seinen Lauf: von achterauf kommt die Staatsgewalt in Form eines Zollbootes, und kurz darauf bittet man uns nach kurzem Wortwechsel über Woher, Wohin und eventuellem Zollgut um die Ausweise. Wir haben einen amerikanischen Staatsbürger an Bord, eine halbe Brasilianerin, aber Ärger bekommt einer der deutschen Mannschaftsmitglieder: Merten hat keinen Pass mit, nur seine Bahncard, und so wandert diese in den bereit gehaltenen Kescher. Gerade hat Merten noch strahlend die Komplettsäuberung der Toilette durch ihn selbst (unter Handreichungen von Rolf und Swup) vermeldet und jetzt hängt er heulend an meinen Beinen. Die Aussicht eines drohenden Bußgeldes macht ihn ganz fertig.
Als das Zollboot zurückkommt, wird gefragt, wer der die Erziehungsberechtigten seinen, und als ich mich als solcher zu Erkennen gebe, werde ich gefragt, ob ich mit einer mündlichen Verwarnung einverstanden sei - immerhin käme man mit einer Bahncard nicht weit... ich nicke mit dem Kopf, und im Nu ist Mertens Angst verflogen, wir können unseren Heimweg ungehindert fortsetzen.
Ganz ungehindert soll es dann aber doch nicht weitergehen, denn der Wind läßt uns ‘mal wieder im Stich. Eine Weile diskutieren wir, ob wir unser Ziel - die Schlei - auch im Dunkeln und - viel entscheidener - sehr spät erreichen können und wollen, doch dann entscheiden wir uns gegen halb Zehn für’s Segelbergen. Natürlich wird es doch dunkel, als wir in die Schlei einlaufen, und mit langsamer Fahrt geht es im Richtfeuer der Schleimündung durch das schmale Fahrwasser nach Maasholm. Vorne leuchten Swup, Kurt und Rolf mit dem Handscheinwerfer vorbildlich die Tonnen heran, und achtern steuern Mathias und Rudi mit Vorsicht und Entschlossenheit. Der Ankerplatz wird ausgelotet, und um viertel vor Zwölf gibt es das wirklich schwer verdiente Einlaufbier.
9 Motormeilen, 25 Segelmeilen, gesamt 652 sm
14.Tag Freitag
1100 ESE 1 drückende Schwüle dämpft den Aufbruchs-
eifer
1140 ESE 1 Maschine Anker auf
1200 ESE 1 Mittelwache
1245 ESE 1-2 Maschine beginnen, Segel zu setzen
1320 ESE 2 gK/F/G/T/B
1350 E 2-3 gK/F/G/T/B/T Besantop gesetzt, zum letzten Mal
1400 E 3
1600 E 3 Bb.Wache
1800 E 3 Stb.Wache
1805 E 3 Maschine beginnen, Segel zu bergen
1835 festmachen Holtenau
Der nächste Morgen ist nicht auszuhalten vor stickiger Hitze; schon um acht treibt es Sigi und mich in den Milchzahn, um an Land zu kommen, in den Schatten. Es treibt uns aber auch, weil wir Freunde zu treffen hoffen, die in einem Maasholmer Hotel arbeiten. Für einen kurzen Plausch reicht es allemal, dann folgt der Einkauf und die Rückkehr zum Schiff, wo unsere Brötchen schon heiß ersehnt erwartet werden. Noch ersehnter jedoch ist ein baldiger Aufbruch, um wenigstens mit Fahrtwind zu ein weniger Erfrischung zu kommen.
Erstaunlicherweise empängt uns in der Schleimündung die Ostsee mit Wind. Es ist nicht viel, aber wir sind bescheiden geworden, was das betrifft. Fleißig setzen wir die Segel und werden am frühen Nachmittag schon mit drei Bft. belohnt - sogar aus der richtigen Richtung! Die Laune - gerade der erst seit ein paar Tagen mit segelnden Swup, Gisela und Stella - steigt steil an, und noch größer wird sie, als wir Zeuge eines Funkverkehrs werden, in dem ein Distress-Ruf zur Ulknummer wird, weil angeblich die Frau des Verursachers zulange und intensiv am Funkgerät ihre Putzwut ausglassen haben soll! - Wir könnten uns kringeln vor Lachen.
Gar nicht zum Lachen ist uns allerdings zumute, als uns auf Höhe der Eckernförder Bucht weite Algenfelder begegnen; hatten wir noch entsetzlich viele Feuerquallen im Limfjord und im Kattegat, ist die Algenpest in diesen Gewässern ein noch deutlicher Beweis für die mangelnde Sauerstoffversorgung der Ostsee. Wieso sich zusätzlich vor Heiligenhafen am heutigen Tage ein Wal herumtreibt, bleibt rätselhaft.
Bis zum Leuchtturm Friedrichsort genießen wir jedoch das Segeln und sind ein wenig traurig, daß wir der Ostsee so früh am Tage schon endgültig auf Wiedersehen sagen müssen. - Swup ist von Zuhause abkommandiert worden, und in Kiel-Holtenau verläßt er uns mit (mindestend) einem tränenden Auge. Andererseits warten jetzt nur noch Kanal und Elbe auf uns, und da fällt ihm der Abschied dann doch nicht so schwer.
Schwer fällt dagegen dem Rest der Mannschaft zu entscheiden, wo und was am heutigen Abend zu Abend gespeist werden soll; noch auf der Förde wurde Pizza beim Italiener favorisiert - vor dem Freßtempel mit den Riesenportionen, dem wir diesen Sommer allerdings schon vor der Rumregatta frönten. Als wir schließlich mit den in Holtenau mit dem Präsident Schäfer angetroffenen Björn und Leif losziehen, ist völlig unklar, ob es überhaupt einen Italiener im erreichbaren Umkreis gibt, und ob wir überhaupt zu zehnt einen Tisch bekommen werden. Im hungrigen Marschtempo befinden wir uns nach einem Abstecher zur Förde schon wieder auf dem Rückweg, als dann doch beschlossen wird, an der Förde im FÖRDEBLICK zu speisen - wenn es sein muß, auch drinnen, weil draußen alle Plätze besetzt sind. Unter heftigen Protesten des einen (Rudi) und der strikten Weigerung eines Anderen (Merten), heute Abend in irgend einer Form feste Nahrung zu sich zu nehmen, nehmen wir Platz an einem großen Rund dicht an der Tür und damit frischer Luft - und der Abend wird ein herrliches Schmausen und Schwelgen. Nachdem die ersten Vorspeisen verschlungen sind, weicht sogar Mertens’ Widerstand dem Hunger bzw. Appetit, und der Abend wird einer der schönsten der Reise (und einer der teuersten)! Unvergessen bleibt für so manchen von uns Kurt’s Geister-Erlebnis-Erzählung zur Nacht, mit der wir den Tag auf der Maltzahn beschließen.
5 Motormeilen, 20 Segelmeilen, gesamt 677 sm
15. Tag Samstag
1045 ablegen Holtenau
1100 Schleuse
1400 festmachen Rendsburg, einkaufen
1430 ablegen Rendsburg
1900 anlegen Brunsbüttel Bunkerstation
Am nächsten Morgen bin ich der erste auf den Beinen, und was soll mir anderes einfallen, als schon wieder den Einkauf der Brötchen zu besorgen. Bei dieser Gelegenheit erkunde ich die Busabfahrtszeiten, denn heute muß auch Merten das Schiff verlassen. Noch vor dem Frühstück machen wir uns auf dem Weg zum Kieler Hauptbahnhof, und bei meiner Rückkehr sind die Festmacher bereits auf Slip gelegt. Die Kanalfahrt liegt vor uns, und es wird der heißeste Tag dieser Tour: Rückenwind und Fahrtwind heben sich auf, die Wasserpistole ist heute mein liebstes Spielzeug, und aller Augen wandern immer wieder neidisch in die Wanten, wo Stella sich mit dem Labsalen der Wanten einen etwas frischeren Tag macht. Als der Abend sich über die Marschen senkt, sind wir froh, dieses langweiligste Stück unser Reise zurückgelegt zu haben. Mit der Absicht, morgen früh zu tanken, legen wir das Schiff an den Bunker-Steg und verbringen unseren letzten Abend mit dem Resümieren unser Fahrt: Zuerst einmal wird festgestellt, daß wir das Schiff ohne einen einzigen Crash bis hierher gefahren haben, und das mit teilweise sehr kleiner Mannschaft; es ist auch sonst nichts kaputt gegangen - wenn man von der Teekanne absieht; als einzige ernsthafte Verletzung bleibt in Erinnerung, daß Kurt sich im Übereifer die Zehen staucht und aufscheidet, als er an einer Lukenkrampe hängenbleibt; mit Mathias’ und der weniger freimütigen Hilfe eines Svenborger Apothekers findet die Bhandlung schnelle Fortschritte. Dagegen wiegen die allergischen Reaktionen einiger Crewmitglieder schwerer; es muß nicht nur an dem heißen Sommerwetter liegen, sondern wohl doch immer noch an den Ausdünstungen unter Deck des Schiffes. Seitdem es von oben wasserdicht gemacht wurde, scheint es mit den Pilzkulturen oder was auch immer es ist, schlimmer geworden zu sein.
Wir unterhalten uns noch ein wenig über gute Seemannschaft, Teamgeist und was sonst noch so dazugehört, ziehen das erste Mal seit Wochen wieder einen Pullover an und lassen uns dann von den vorbeiziehenden Schiffen in den Schlaf wiegen.
60 Motormeilen, keine Segelmeile, gesamt 737 sm
16. Tag Sonntag
0740 verholen zur Bunkerstation
400 l Diesel bunkern
0810 ablegen
0830 einlaufen Alte Schleuse Brunsbüttel
Prüfung der Schiffspapiere, Befähigungs-
zeugnisse durch die Wasser- und Schiff-
fahrtspolizei
0900 auslaufen Schleuse
1000 E 4
1200 E 4
1355 E 4 festmachen Oevelgönne
Der Morgen beginnt mit dem Tanken von 400 Litern Diesel bei einem unfreundlichen Tankwart. Was gäben wir für noch einmal das Tankmobil aus Ebeltoft?! Auch die Beamten der Wasser- und Schiffahrtspolizei, die uns freundlich, aber bestimmt nach allen Papieren fragen, nach denen man nur fagen kann, erinnern uns nur zu deutlich, daß Dänemark für unseren Törn Geschichte ist. Wenn die Schleusen sich nicht wieder geöffnet hätten, wären sie bestimmt auch noch zur Unterwäschenkontrolle an Bord gekommen...
Die Elbe begrüßt uns mit frischem Ostwind. So richtig Lust auf einen Tag an der kreuz hat aber keiner von uns, und so knattern wir einen Teil der frisch getankten Dieselmenge bis nach Oevelgönne wieder aus dem Tank. Bei Hetlingen begrüßen wir die frisch aus dem Dock geholte ELBE 5 bei Hetlingen mit Flaggensignal, und am frühen Nachmittag machen wir in Oevelgönne fest. Die Reise ist zu Ende.
32 Motormeilen, keine Segelmeile, gesamt: 416 Motor, 353 Segel = 769 sm